Müde, ausgelaugt und ausgebrannt – raus aus der Erschöpfungsfalle!

Müde, ausgelaugt und ausgebrannt.

So beschreiben sich immer wieder Mütter und Väter. Die Gründe dafür sind vielfältig. Eltern sein ist herausfordernd. Das steht außer Frage. Doch wenn Nichts mehr geht, läuft eindeutig etwas in die falsche Richtung.

So vielfältig die Ursachen für die Erschöpfungsfalle sein können, so ebenfalls die Wege daraus. Ein Aspekt davon mag ich heute mit euch hier beleuchten. Es geht um Achtsamkeit.

Achtsamkeit ist ein wichtiger Schritt raus aus der Erschöpfungsfalle und wie so oft, beginnt die Arbeit bei sich selbst.

Dabei geht es nicht um Perfektion oder um „bessere“ oder „schlechtere“ oder gar fehlerlose Eltern. Auch unerzogene Eltern sind nicht immer einfühlsam und in Beziehung mit ihren Kindern verbunden, aber sie haben zunehmend die Fähigkeit genau das zu erkennen und sich bewusst einzugestehen.



Unachtsamkeit zu erkennen, ist bereits ein Zeichen von zunehmender Achtsamkeit

Wenn wir unseren Kindern achtsam gegenüberstehen, sind wir in der Lage auch die leisesten Signale wahrzunehmen. Wir wissen, ob es ein guter Zeitpunkt ist ein Gespräch zu beginnen oder wie dringlich das Anliegen unseres Kindes ist. Wir sind in dem Moment präsent, urteilen nicht und versuchen auch nicht etwas zu finden, zum Beispiel eine Erklärung für ein bestimmtes Verhalten. Viel mehr sind wir einfach da, im Hier und Jetzt und nehmen das, was ist wahr. Zum Beispiel, dass unser Kind gerade in einer Beschäftigung völlig vertieft oder gerade in seinen Emotionen gefangen ist.

Achtsamkeit ist also die Zufriedenheit darüber, zu erkennen, was ist: Mein Kind ist konzentriert, wütend, traurig.

Ich nehme es wahr, weil mein Kind mir mit seinem Sein wert ist, geschätzt zu werden, so wie es eben ist.

 

Selbiges gilt natürlich auch für den Umgang mit sich selbst:

Mir selbst gegenüber achtsam zu sein, bedeutet da zu sein, wo ich gerade bin.

Wenn ich esse, esse ich. Wenn ich denke, dann denke ich. Wenn ich dusche, dusche ich.

Damit sind also die zahlreichen Momente gemeint, indem wir Dinge automatisch erledigen und unseren Gedanken bewusst (!) nachgehen können. Eine Art Meditation im Alltag, die oft unterschätzt oder gar unterdrückt wird, weil ein bestimmter Gedanke uns womöglich schmerzt und schnell beiseite geschoben wird. Dabei lohnt es sich diese Gedanken ganz genau anzuschauen und womöglich zu transformieren.

Oder aber, wir geben diesen Dingen keinen Raum mehr, stopfen unseren Alltag voll und erledigen alles nur noch nebenher. Zum Beispiel habe ich eine ganze Weile lang im Job meine Mittagspause gestrichen und vor dem Bildschirm zwischendurch vom Sandwich abgebissen oder bereits während der Autofahrt das erste telefonische Meeting am Tag abgehalten. Im Alltag mit Kindern ist manchmal selbst der Toilettengang nur noch nebenher möglich…

Achtsam bin ich jedoch auch, wenn ich all das erkenne oder aber die womöglich dadurch verursachten Rückenschmerzen wahrnehme und vor allem auch ernst nehme. Wenn ich mir aufgrund dieses körperlich Anzeichen eine Pause gönne und mich um mich selbst kümmere. Möglicherweise sogar in der Folge mein Verhalten langfristig ändere und dem für die Zukunft vorbeuge.



Achtsam bin ich, wenn ich feststelle, dass ich erschöpft bin

Ich richte mein inneres auf das, was gerade im außen passiert:

Oh, ich reagiere gereizt und hektisch. Ich schreie. Ich verfalle in Aktionismus.

 

Wenn wir achtsam sind, achten wir auf das, was ist und verfolgen dabei keine Ziele!

Mir geht es (nicht) gut mit dem, was ist. Meinem Kind geht es (nicht) gut mit dem, was ist. Das nehme ich wahr.

Hier bin ich achtsam, den ich erlebe, was gerade tatsächlich um mich passiert.

Hier und Jetzt bin ich traurig. Hier und Jetzt bin ich glücklich.

In meinen Job bin ich unglücklich. In meinen Job blühe ich auf.

Morgens ist mein Kind Kuschelbedürftig. Morgens ist mein Kind schlecht gelaunt.

 



Anders als die Achtsamkeit dient unsere Aufmerksamkeit einen Zweck und ist zielgerichtet

Aufmerksamkeit hilft uns dabei Bedürfnisse zu erfüllen.

Aus unseren Erfahrungen heraus und aus angeeignetem Wissen, haben wir verstanden, was unser Kind braucht.

Unsere Achtsamkeit hilft uns zu erkennen, was ist und unsere Kinder urteilsfrei zu begleiten. Unsere Aufmerksamkeit hilft uns, unseren Kindern zu unterstützen.

So weiß ich zum Beispiel, dass wenn eines meiner Kinder wütend wird, es häufiger das Bedürfnis nach Nahrung hat oder nach Respekt oder Nähe. So kann ich seine Wut nicht nur begleiten, sondern Lösungen anbieten oder aber, durch das achtsame erkennen von Vorboten, es gänzlich vermeiden. Doch das ist erst der zweite Schritt.

 

Kinder sind oft sehr achtsam. Sie leben im Hier und Jetzt. Ihnen fehlt jedoch die Erfahrung aus der sich die Aufmerksamkeit bedient.

Wir Erwachsene aber fokussieren uns zunehmend genau darauf und bewerten das Verhalten unserer Kinder danach. Genau dieser Druck zu mehr Aufmerksamkeit, entfernt uns von der Achtsamkeit. Wir lassen zu wenig Raum für das was ist und überspringen oft den Schritt der Annahme.

Statt „oh, du bist traurig“ hören wir uns mitunter sagen „das ist doch nicht so schlimm“ oder schlimmer noch „hör auf zu weinen“.

Seelisches Leid entsteht nicht zuletzt durch fehlende Achtsamkeit und Annahme.

 



Wie können wir uns wieder in Achtsamkeit üben?

Folgende Fragen können dabei helfen:

Nehmen wir das, was ist wahr? Oder lassen wir nur Ausschnitte zu, weil wir bereits Schubladen gestaltet haben?

Wissen wir, dass das, was wir denken, ein durch uns entworfenes Bild der Wirklichkeit und nicht die Wirklichkeit selbst ist? Unterschiedliche Menschen haben auch ein unterschiedliches Bild der Wahrheit. Sie nehmen verschiedene Perspektiven ein.

Sind die Urteile, die wir treffen, das Ergebnis unserer Wahrnehmung (ich bin mir um ein Bild der Wirklichkeit bewusst) oder nehmen wir unser Bild als Wahrheit hin und urteilen dann?

Und wie greifen wir in der Folge auf das, was ist, ein?

Oder ist es gar nicht eine Abfolge dieser Schritte und wir lassen uns nicht die Zeit achtsam Wahrzunehmen und greifen gleich ein, da unsere Urteile bereits feststehen?

 

Konkret:

Ein Kind haut ein anderes Kind.

Was tust du?

Nimmst du wahr, was ist?

Oder urteilst du?

„Oh, mein Kind ist wütend / frustriert / in Not / will Kontakt aufnehmen.“

oder

„Hauen darf man nicht! / Du bist nicht brav / gemein / aggressiv!“

 

Und wie ist da die Perspektive auf uns selbst?

Du schreist dein Kind an.

Was tust du?

Nimmst du wahr, was ist?

Oder urteilst du?

„Oh, ich bin in Not / verzweifelt / überfordert…“

oder

„Ich bin eine schlechte Mutter. / Ich habe versagt!“

 

Natürlich will niemand gehauen oder geschlagen werden. Und natürlich ist es unsere Aufgabe dafür zu sorgen, dass andere Kinder sowie unsere Kinder in ihre Integrität geschützt werden. Also, dass keine Kinder gehauen werden und dass mein Kind nicht angeschrien wird. Die Frage aber ist, hilft es den Beteiligten und unserer Beziehung, wenn wir das Wahrnehmen und die Überprüfung unseres Bildes überspringen und gleich urteilen und danach agieren?

 

Wie könnte ein achtsamer Umgang mit der Situation im Beispiel aussehen?

Ich schreie.

Es ist, wie es ist. So sehr, ich es nicht will, es ist nun im Hier und Jetzt so. Ich schreie.

Ich nehme wahr, dass mein Kind nun Angst hat.

Ich nehme wahr, dass ich selbst erschrocken bin.

Ich nehme wahr, dass ich überfordert bin.

Wütend.

 

 

Ich weiß, dass ich ein Bild der Wirklichkeit kreiere und bin mir daher bewusst, dass meine Wahrnehmung nur ein Bild dessen ist und nicht die Wahrheit an sich. Ich stecke nicht im Erleben meiner Kinder.

Meine Beobachtung war:

…dass mein Kind sein Geschwister gehauen hat. Ich hatte wiederholt stopp gesagt und er machte es erneut. Ich begann zu schreien.

 

Was nahm mein Kind wahr?

Habe ich es überhaupt gefragt, wozu es haut? Was es braucht?

Oder war ich nur auf das Ziel fokussiert, dass er nicht mehr hauen soll?

 

Weiß ich nun mehr?

Wie beurteile ich aufgrund dessen die Gesamtsituation?

Wir waren womöglich alle in Not und fühlten uns nicht gesehen.

 

Wie greife ich nun ein?

Und was kann ich aus der gemachten Erfahrung lernen?

Worauf richte ich also künftig und auch jetzt meine Aufmerksamkeit?

Suche ich eine Lösung dafür, dass ich zukünftig achtsamer sein kann, so wie es mein Wunsch ist?

Suche ich eine Lösung für das Verhalten meines Kindes, was eigentlich nicht meiner Haltung entspricht, wenn ich um einen gleichwürdigen Umgang bemüht bin?

Oder versinke ich in Selbstmitleid oder Selbstzweifeln?

Das sind tatsächlich Entscheidungen, die wir treffen können.

 

Wenn wir uns die Zeit zur achtsamen Beobachtung nehmen, stellen wir vermutlich fest, dass wir manchmal entweder sehr schnell urteilen und agieren oder wie paralysiert sind.

Durch Erziehung neigen wir dazu oft automatisch, ohne groß wahrzunehmen oder nachzudenken zu agieren, werden in der Folge übergriffig und gemein.

Wenn wir eine Haltung der Gleichwürdigkeit anstreben, stimmt uns das oft traurig. Das wiederum führt nicht selten dazu, dass wir vollkommen blockiert sind, Angst vor Aktion haben und gar nicht mehr reagieren. Nicht nur, dass wir dabei unsere Kinder oft ohne Orientierung zurücklassen, wir übergehen unsere eigenen Bedürfnissen. Bis zu einem gewissen Grad gehört solch einer Phase zum Veränderungsprozess von Erziehung zu Beziehung dazu. Auf Dauer ist es jedoch kein hinnehmbarer Zustand.



Wir überlassen unsere Kinder sich selbst und brennen aus

Wir kommen also nicht drumherum uns in Achtsamkeit zu üben und zu lernen unser Denken zu untersuchen, wenn wir auf Erziehung verzichten und in Beziehung leben wollen. Um dich in diesen Prozess zu unterstützen, habe ich meinen online Kurs zur Bewältigung von Alltagskonflikten in der Familie entwickelt. Mehr Informationen dazu findest du Hier.

Saluditos & Axé

Eure

Aida S. de Rodriguez

 

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Foto: pavel_shishkin (Fotolia).

About The Author

Aida S. de Rodriguez

Aida ist Mutter eines Zwillingspärchens und eines ein Jahr jüngeren Sohnes. Ihre Kinder wachsen interkulturell, mehrsprachig sowie bedürfnisorientiert auf. Als Coach, Beraterin und Trainerin begleitet sie Menschen rund um die Themen Unerzogen, Selbstwirksamkeit, Transformationsprozesse und Diversity. Ihre Vision ist ein gleichwürdiges Miteinander aller Menschen. Dafür setzt sie sich für die Rechte von Kindern auf gewaltfreien Umgang sowie auf ein selbstbestimmtes Leben und Lernen ein.

2 Comments

  • Monika Anasha

    Reply Reply 14. Januar 2018

    Herzlichen Dank liebe Aida,
    für deinen wundervollen Text. Ja, Aufmerksamkeit ist sehr wichtig, aber Achtsamkeit mit den Kindern und sich selbst ist unumgänglich.
    Wir wachsen daran und unsere Kinder mit uns in eine `beziehungsvollere´ Gemeinschaft. Danke <3

  • Susanne Bregenzer

    Reply Reply 27. Januar 2018

    hallo Aida!

    Ein toller Text, ein Wahnsinns- Thema! In der gewaltfreien Kommunikation geht es auch viel um diese „Urteile“: wir beurteilen (und verurteilen) eine Situation so rasend schnell, dass man oft nur hinterher wieder revidieren kann.

    ich finde es schön, dass du immer wieder Denkanstöße gibst und so brisante Themen ansprichst, die wahrscheinlich jeden etwas angehen. Danke dafür und liebe Grüße
    Susanne Bregenzer

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