6 Gründe warum kleine Kinder hauen

Wenn es um hauende Kleinkinder geht, lese und höre ich immer wieder folgenden „Rat“ – nennen wir es doch lieber beim Namen: Vorwurf – an die entsprechenden Eltern: „würde meine Tochter hauen, würde ich mit ihr reden, dass es nicht geht“…

Ich vermute, beinahe jeder Erwachsene redet mit seinem Kind, wenn es beginnt sich körperlich zu artikulieren…

Und genau das ist der Punkt: Warum hauen kleine Kinder?

Kinder hauen aus unterschiedlichen Gründen. Hier einige davon:

1. Hauen ist es ein Kommunikationsmittel:

Viele Kinder und insbesondere diejenigen, die später zu sprechen beginnen, kommunizieren oft körperlich. Von außen wirkt es teilweise recht aggressiv, dabei will das Kind oft nur „Hallo, ich will gerne mit dir spielen“ sagen.

Das Kind an dieser Stelle zu ermahnen, wäre alles andere als hilfreich.

Sinnvoller wäre hier die Begleitung der Kinder. Ihr Tun für andere zu übersetzen, vorausschauend eingreifen, zum Beispiel durch sanftes, beinahe beiläufiges „Umlenken“ der zuschlagenden Gliedmaßen.

2. Kinder hauen, weil ihnen noch andere Strategien zur Problemlösung fehlen:

Gerade wenn Kinder frustriert sind, werden sie durch die eigenen Emotionen schnell überfordert. Das Stammhirn übernimmt das Kommando und sie verfallen in archaische Muster.

Passiert Erwachsenen übrigens auch regelmäßig. Bei ihnen würde es mir, im Gegensatz zu den Kindern, tatsächlich zu denken geben.

In diesem Fall hilft es trösten (das Kind ist überfordert, frustriert und in Not), vorleben und begleiten.

Es gibt sehr wenige Kinder, die ganz ohne hauen, kratzen, beißen auskommen. Bei manchen ist es mehr, bei anderen weniger. Menschen sind ja bekanntlich unterschiedlich temperamentvoll.

3. Kinder sind manchmal aufgrund von entsprechenden Vorbildern und erlebten Übergriffen körperlich aggressiv:

Entweder weil sie selber Gewalt erfahren oder sehen, oder aber weil ihr Selbstbestimmungsrecht immer wieder übergangen und ihre Integrität nicht gewahrt wird.

Diese Art Aggression lässt sich vom kindlichen Hauen beim genauen Hinsehen gut unterscheiden, indem man sich nicht auf das kindliche Verhalten fokussiert, sondern den Gesamtkontext betrachtet.

Hier ist entsprechende (therapeutische) Begleitung von allen Beteiligten und eine genaue Betrachtung des Umfeldes notwendig.

4. Ein weiterer Grund kann eine Art Impulsreaktion aufgrund fehlender sensorischer Integration sein:

Das Kind „spürt sich“ in diesem Fall nicht richtig oder hat dadurch eine reduzierte Frustrationsgrenze.

In diesem Fall lohnt es sich entsprechende Therapeuten aufzusuchen oder aber Sportarten wie Capoeira, reiten, schwimmen, klettern, etc. zu betreiben.

5. Die Integrität des Kindes ist in Gefahr und es versucht sich zu schützen:

Wenn Kinder sich bedrängt oder bedroht fühlen und ihre Abgrenzungsversuche sowie ihre Stimme nicht erhöht werden, verteidigen sie sich mit den ihnen vorhandenen Strategien.

An Erwachsene ist dies eine Einladung zum Innehalten, zur Selbstreflexion und zum Überdenken des eigenen Verhaltens! Erwachsene sind immer (!) für die Beziehungsqualität verantwortlich.

Ist es ein Konflikt zwischen Kindern und diese sind überfordert oder kommunizieren verbal oder nonverbal, dass sie Hilfe benötigen, so ist eine empathische Begleitung der Beteiligten unerlässlich.

6. Sie suchen Beziehung und Verbindung und wollen gesehen werden:

Wenn Kinder hauen, sind Erwachsene in der Regel schnell zur Stelle. Die Kinder bekommen Aufmerksamkeit. Und ja, das wollen sie dann oft auch. Oder doch nicht?

Was wollen sie wirklich?

Kinder wollen gesehen werden! Es ist unabdingbar für ihre Entwicklung und es sichert ihnen das Überleben. Diese Mechanismen sind tief in uns verankert. Ohne von Erwachsene wahrgenommen zu werden, kann kein Kind überleben. Sie sind abhängig.

Hier sind wir ganz besonders gefragt in Beziehung zu gehen und unseren Kindern proaktiv zu vermitteln: Ich sehe dich! Ich bin mit dir verbunden!

Fakt ist:

Kinder hauen nicht, weil sie böse sind. Kinder hauen auch nicht aufgrund von liebevoller Begleitung.

Indem wir immer nur das Verhalten betrachten, vergessen wir unseren Blick auf die dahinterliegenden Bedürfnisse zu lenken.

Und in dem wir den Eltern subtil zu verstehen geben, sie wären zu lasch in der Erziehung, formen wir eine Erziehungskultur, die auf respektloser Autorität fußt, hinterlassen wir verunsicherte Eltern zurück und „diagnostizieren“ Kinder.

Ich bin Mutter eines stark körperlich kommunizierenden Kindes und zugleich Mutter eines sehr sensiblen Kindes. Ich kenne beide Seiten, denn ich erlebe das Zusammenspiel jeden Tag. Eine große Herausforderung, an der ich wachsen und jede Menge über mich lernen kann…

Aida S. de Rodriguez

 

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About The Author

Aida S. de Rodriguez

Aida ist Mutter eines Zwillingspärchens und eines ein Jahr jüngeren Sohnes. Ihre Kinder wachsen interkulturell, mehrsprachig sowie bedürfnisorientiert auf. Als Coach, Beraterin und Trainerin begleitet sie Menschen rund um die Themen Unerzogen, Selbstwirksamkeit, Transformationsprozesse und Diversity. Ihre Vision ist ein gleichwürdiges Miteinander aller Menschen. Dafür setzt sie sich für die Rechte von Kindern auf gewaltfreien Umgang sowie auf ein selbstbestimmtes Leben und Lernen ein.

27 Comments

  • Tante Emma

    Reply Reply 13. Mai 2016

    Der Beitrag kommt genau richtig. Erst gestern habe ich meine Gedanken und Gefühle zu dem Thema verbloggt.

    Es ist vor allem auch schwer, das Ganze eben nicht auf sich zu beziehen.
    Aber es hilft wirklich, sich vor Augen zu halten, dass es dem Kind nicht darum geht zu hauen, sondern etwas bzw. sich mitzuteilen.

    • Aida S. de Rodriguez

      Reply Reply 22. Mai 2016

      Danke für dein Feedback!

      Das Thema erhält unglaublich viel Resonanz. Der Artikel ist mehrere Tausend Male geteilt worden und auch von den Medien zitiert worden. Das zeigt mir, wie dringend darüber gesprochen werden muss!

      Liebe Grüße
      Aida

      • andrea

        Reply Reply 13. Februar 2019

        Hallo, ich finde diesen Beitrag super und mag auch deine Idee des liebevollen Umgangs mit Kindern (auch wenn sie hauen). Das einzige aber was mich hier verwirrt ist die Ablenkung des Kindes nach dem Hauen. Ich finde, dass das Kind damit nicht lernt mit diesem Gefühl umzugehen weil es ja davon abgelenkt wird. Oder wie siehst du das?
        Würde mich über deine Antwort freuen, liebe Grüße

  • Linde

    Reply Reply 7. Juni 2016

    Hallo. Erstmal guter Artikel, weil ich Zweifel viel an mir selbst und auch mein Mann.

    Unser Sohn haut viel, Vorallem wenn er einen Overload hat. (3,5 / Autist / kann sprechen)

    Bei uns hilft nur in einen kühlen, anderen Raum gehen und ihn umarmen.

    Brüllen, Strafen usw bringen nichts, er wird dann nur noch aggressiver. Aber gerade an so besonderen Kindern, die ihr Herz auf der Zunge tragen, merkt man das es nur mit einfühlvermögen geht.

    • Aida S. de Rodriguez

      Reply Reply 8. Juni 2016

      Danke, liebe Linde!

      Auch dafür, dass du uns an deine Erfahrungen und Gedanken teilhaben lässt!

      Es ist sicherlich eine ganz besondere Herausforderung! Und es freut mich zu lesen, dass ihr auch den Weg der Liebe gewählt habt! <3

      Alles Liebe
      Aida

  • Annett

    Reply Reply 27. Juli 2016

    Toller Artikel!
    Nur eine Frage habe ich. Kann es sein, dass Kinder auch aus Übermut hauen? Ich erlebe das regelmäßig mit unsere 20 Monate alten Tochter und unseren Hunden. Hier bestrafe ich tatsächlich, weil ich sie sofort von den Hunden trenne, wenn sie schlägt oder an den Ohren zieht. Zum einen, um die Hunde zu schützen und zu anderen, um meine Tochter vor eventuellen Abwehrreaktionen der Hunde zu schützen. Selbst, wenn ich mit ihr gemeinsam die Hunde streichle, worin ich sie bestätige, brennt es Ihr plötzlich durch und sie haut zu.
    Die räumliche Trennung als Konsequenz gibt dann natürlich immer Tränen.
    Wie würden sie damit umgehen???

  • Chrustin

    Reply Reply 30. Oktober 2016

    Liebe Anett.

    Der Hund erkennt das Verhalten des Kindes als das an was es ist…Übermut.

    Je mehr du dich aufregst je mehr nimmt der Hund wahr, das du dich über das Kind aufregst und es als „Gefahr“ ansiehst, desto höhere die wahrscheinlichkeit, das das Tier Abwehr Reaktionen zeigt.

    Bleibst du gelassen, nimmt auch der Hund es gelassen.
    Haut dein Kind, lobe deinen Hund und und lenke dein Kind ab in dem ihr gemeinsam etwas spielt.

    Und evtl steckt auch ein Bedürfnis deines Kindes dahinter. Meine Tochter hat eine zeit stark den Hund attackiert, weil sie glaubte ich liebe den Hund mehr wie sie…und ml ehrlich, viele reden mit ihrem Hund liebevoller als mit ihrem Kind!!

    • Aida S. de Rodriguez

      Reply Reply 4. November 2016

      Vielen Dank, liebe Christin!

  • Michèle

    Reply Reply 4. November 2016

    Hi
    Mein Sohn (3) geht ab und zu äusserst grob mit uns um. Er haut, rammt, kneift etc. Schimpfen oder umarmen hilft dann alles nichts. Ich habe herausgefunden, dass er manchmal einfach Lust hat zum Kämpfen. Dann balgen wir uns und lassen die Sau raus bis wir ausser Atem sind. Er lernt so, wo die Grenzen sind innerhalb des Kämpfens…

  • Bonnie

    Reply Reply 15. Mai 2017

    Hallo!
    Ein interessanter Blog 🙂
    Mein Sohn ist 28 Monate alt, und manchmal haut er aus dem Nichts heraus zu. Z.B. wenn mein Bruder ihn auf dem Arm hat und die beiden Spielen, hat er meinem Bruder ins Gesicht gehauen. Und bei einer Spielgruppe hat er mit einem Kind gespiel, und hat es auch wieder ins Gesicht gehauen. Also macht er sowas, wenn er aufgeregt ist. Wir soll ich das einordnen?
    Er macht das seit ca einem halben Jahr, seine sprachlichen Fähigkeiten sind etwa durchschnittlich…

  • Resa

    Reply Reply 3. November 2017

    Hast du auch einen Tipp wie mit einem Kind (3,5) umgegangen werden sollte, das andere Kinder in der Kita haut? Mein Sohn und noch zwei andere in seiner Gruppe (insgesamt sind es 15 Kinder) hauen sich immer wieder gegenseitig und ab und an auch die anderen Kinder. Die Erzieherin ist nun dazu übergegangen, ihn dann aus der Gruppe zu nehmen. Er muss dann still am Tisch sitzen und darf nicht spielen. Ich habe ihr gesagt, dass ich nichts von Strafen halte und befürchte, dass es dadurch eher schlimmer und ganz sicher nicht besser wird. Gleichzeitig verstehe ich aber, dass sie die anderen Kinder „schützen“ möchte. Sie meint, sie weiß nicht, was sie sonst tun soll. Ich hatte nun folgende Vorschläge: 1.Schauen, welches Bedürfnis hinter dem Haufen stecken könnte 2. Alternativen aufzeigen 3. Versuchen, es die Kinder untereinander klären zu lassen (solange es nicht zu schlimm ist natürlich).
    Mir ist klar, dass es in einer Gruppe schwieriger ist, als in einer 1:1 Situation. Dennoch würde ich mir Empathie, Wertschätzung und Respekt wünschen. Leider habe ich nicht das Gefühl, dass das Werte sind, die in unserer Kita groß geschrieben werden 🙁

  • A. Müller

    Reply Reply 5. Februar 2018

    Der Artikel ist schön und gut brauchbar wenn das eigene Kind das Hauende ist. Ich habe das andere Problem: Mein Kind wird in einer Spielgruppe immer vom selben Kind (beide 18 Monate) geschlagen. Teils mit harten Gegenständen auf den Kopf. Es ist so schlimm, dass ich mir überlege gar nicht mehr hinzugehen. Soll ich nun der Mutter sagen sie soll ihr Kind doch mal in den Arm nehmen statt zu schimpfen? Das geht ja irgendwie auch nicht…

  • Christina

    Reply Reply 1. Mai 2018

    Herzlichen Dank für diesen Artikel!!!!!!!!!!!!! Danke, danke, danke! Ich bin also doch auf dem richtigen Weg.

  • M.Hamzi

    Reply Reply 29. August 2019

    Guten Tag,

    vielen Dank für diesen Artikel. Unser Sohn ist 25 Monate jung. Ich bin vollzeit Mama, und teilen muss er mich auch nicht. Für sein alter spricht er sehr gut und kann sich ohne Probleme klar ausdrücken. Leider kommt es immer wieder vor, das er Mädchen an den Haaren zieht und jungs kneift….meistens ist es, wenn zb; andere Kinder vor ihm an der Rutsche sind. viel erklären und mahnen hilft leider auch nicht. Haben Sie mir irgendeinen Tipp den ich sonst noch anwenden kann? ist es eine Phase? Lieben Dank

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